Finanzen

Gut zu wissen für den Übergang

Solange du in der Jugendhilfe lebst, musstest du dich um finanzielle Dinge wie Miete und Geld für Essen nicht kümmern. Das ändert sich mit dem Auszug aus der Jugendhilfe, und vielleicht fragst du dich auch schon, wovon du in Zukunft deinen Lebensunterhalt bezahlen wirst. Es ist sinnvoll, möglichst frühzeitig vor dem Auszug anzufangen, 

sich Gedanken darüber zu machen. Hilfreich ist, wenn dich dabei in der Nachbetreuung noch jemand unterstützt.

In den FAQs unten haben wir einige Infos rund um das Thema Finanzen für dich zusammengestellt. 

Eltern, aber auch Jugendliche und junge Volljährige, können zu den Kosten, die im Rahmen der Jugendhilfe entstehen, herangezogen werden. Das bedeutet, dass es sein kann, dass du ein Teil deines Einkommens an das Jugendamt abgeben musst, weil du in einer Pflegefamilie oder in einer Wohngruppe lebst. Das finden wir und auch viele Interessenvertretungen von jungen Menschen ungerecht, da in den aller meisten Fällen junge Menschen sich nicht ausgesucht haben, in der Jugendhilfe zu leben. Und arbeiten soll sich schließlich lohnen, weshalb sich viele gegen die Kostenheranziehung eingesetzt haben:

  • Stellungnahme vom Careleaver e. V. zur Kostenheranziehung
  • Positionspapier des Bundesnetzwerks der Interessenvertretungen in der Kinder- und  Jugendhilfe (BUNDI)

Die gute Nachricht ist, dass sich die Gesetzeslage geändert hat und nun junge Menschen nicht mehr 75 % ihres Einkommens, sondern nur noch 25 % oder weniger abgeben müssen. Es gibt natürlich immer Ausnahmen und Sonderfälle, weshalb es sich lohnt, die folgenden FAQs durchzulesen.

Der Careleaver e. V. setzt sich weiterhin für eine komplette Abschaffung der Kostenheranziehung ein.

Das Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Jugendhilfe hat das Problem mit der Kostenheranziehung früh erkannt. Viele junge Menschen empfinden die Kostenheranziehung als ungerecht, gerade dann, wenn sie zum Beispiel für den Führerschein sparen oder wenig finanzielle Unterstützung nach der Jugendhilfe erhalten und beispielsweise die Kaution für die erste eigene Wohnung selbst zahlen müssen.

Um jungen Menschen zu helfen, hat das Bundesnetzwerk die Seite kostenheranziehung.info ins Leben gerufen. Hier findest du hilfreiche Informationen zur Kostenheranziehung, zum Beispiel:

  • eine Infobroschüre zur Kostenheranziehung in jugendgerechter Sprache
  • Musterschreiben und Ausfüllhilfen, um dein Jugendamt zu bitten, deinen Kostenbescheid zu überprüfen
  • ein Tool zur Berechnung deines Kostenbeitrages

Solltest du noch Fragen haben oder Unterstützung beim Ausfüllen der Musterschreiben und Ausfüllhilfen benötigen, kannst dich gerne bei uns und bei den Kolleg*innen im Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Jugendhilfe melden.

Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) hat sich im Juni 2021 auch die Gesetzeslage zur Kostenheranziehung (§§ 91 ff. SGB VIII) geändert.

  1. Die Kostenheranziehung wurde auf 25 % reduziert.
  2. Es gibt Ausnahmen!
  3. Einkommen durch Schülerjobs und Praktika bis 150 Euro werden nicht herangezogen.
  4. Einkommen durch Ferienjobs und ehrenamtliche Tätigkeiten werden nicht herangezogen. Jugend- und Bundesfreiwilligendienste zählen übrigens auch zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten.
  5. Bei einer Ausbildung bleiben 150 Euro unberührt. Alles, was du darüber hinaus verdienst, kann bis zu 25 % herangezogen werden.
  6. Das Kindergeld wird komplett herangezogen.
  7. Dein Vermögen wird bei Hilfen für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) nicht herangezogen.

Wichtig! Trotz einer Kostenheranziehung von 25 % hat das Jugendamt weiterhin einen Ermessensspielraum. Das bedeutet, dass es dein Einkommen auch gar nicht oder zu einem geringeren Prozentsatz heranziehen kann, wenn es im Einzelfall Sinn macht. Zum Beispiel, wenn du für deinen Führerschein sparst, den du benötigst, um eine Ausbildung als Sanitäter*in zu beginnen. Das Jugendamt hat aber nicht den Ermessenspielraum, mehr als 25 % heranzuziehen.

Nice to know! Wir haben als Beispiel den Führerschein genommen, weil wir häufig erleben, dass Jugendämter den Führerschein nicht zahlen und junge Menschen anfangen zu arbeiten, um ihn sich selbst zu finanzieren. Du solltest aber trotzdem wissen, dass es die Möglichkeit gibt, über Nebenleistungen beim Jugendamt die Kostenübernahme für den Führerschein zu beantragen. Das Jugendamt könnte dir entgegenkommen und zum Beispiel entscheiden, dass es 1.000 Euro zahlt und du 1.000 Euro zahlen musst, aber dafür dein Einkommen gar nicht herangezogen wird.

Sowohl für junge Menschen als auch für Fachkräfte können wir die Seite kostenheranziehung.info sehr empfehlen. Hier finden Fachkräfte auch ein Rechtsgutachten und Hinweise zu Veranstaltungen zur Kostenheranziehung.

Leider stellen wir immer wieder fest, dass Fachkräfte nicht ausreichend über die Kostenheranziehung informiert sind, weshalb sich ein Blick in das Gesetz (§§ 91 ff. SGB VIII) lohnt, insbesondere dann, wenn Falschaussagen im Raum stehen wie zum Beispiel „Wir müssen immer 25 % heranziehen.“ Das stimmt weder heute noch stimmte es damals als vielen jungen Menschen 75 % ihres Einkommens genommen wurde. Auch in den „alten“ Fällen lohnt es sich, die Kostenbescheide zu überprüfen.

Damals wurde jungen Menschen in der Regel 75 % ihres Einkommens genommen. In vielen Fällen war dies nicht rechtens.

  1. Auch damals gab es bereits ein Ermessensspielraum. Jugendämter hätten auch damals auf die Kostenheranziehung (teilweise) verzichten können.
  2. Vielen jungen Menschen wurde 75 % des Einkommens aus dem Monat genommen, in dem sie das Geld verdient haben. Eigentlich hätten alle Jugendämter das durchschnittliche Monatseinkommen des Vorjahres berücksichtigen müssen. Viele Kostenbescheide von damals sind also falsch und es gibt im Einzelfall die Möglichkeit, zu viel gezahltes Geld aus den letzten vier Jahren zurück zu bekommen.

Ob du Geld zurück bekommst, muss im Einzelfall geprüft werden. Hierfür kannst du die Musterschreiben und Ausfüllhilfen auf kostenheranziehung.info verwenden. Melde dich gerne bei uns oder den Kolleg*innen im Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Jugendhilfe, wenn du Fragen hast oder wir dich unterstützen sollen.

Achtung! Im Gegensatz zu vor der Reform vor Juni 2021 gilt heutzutage, dass das Einkommen aus dem aktuellen Monat und nicht das durchschnittliche Monatseinkommen aus dem Vorjahr herangezogen wird. Und nicht vergessen: Das Jugendamt kann auch heute von der Kostenheranziehung (teilweise) absehen.

Grundsätzlich sind deine beiden Elternteile dir zu Unterhalt verpflichtet bis du einen berufsqualifizierenden Abschluss hast. Wir haben dir hier einen kleinen Überblick mit verschiedenen Werdegängen und den Unterhaltsansprüchen zusammengestellt:

  • Ausbildung: Unterhaltsanspruch
  • Freiwilligendienste wie FSJ oder FÖJ: Unterhaltsanspruch, wenn der Freiwilligendienst eine Voraussetzung für die angestrebte Ausbildung oder das angestrebte Studium ist
  • Bachelor-Studium: Unterhaltsanspruch, wenn die Studiendauer nicht wesentlich überschritten wird; ein Wechsel der Studienrichtung ist bis zum zweiten/ dritten Semester möglich
  • Master-Studium: Unterhaltsanspruch, wenn du damit dein Bachelor-Studium vertiefst und es direkt daran anschließt (konsekutiver Studiengang)
  • Promotion: kein Unterhaltsanspruch
  • Abitur, Ausbildung und anschließend Studium: Unterhaltsanspruch auch im Studium, wenn dieses auf deine Ausbildung aufbaut und sich direkt daran anschließt
  • Schule, Ausbildung, Fachabitur und anschließend Studium: Unterhaltsanspruch nur bis zum Ende der Ausbildung
  • Weltreisen oder au pair: kein Unterhaltsanspruch

Wenn deine Eltern nicht bereit sind, Unterhalt zu zahlen, solltest du dich von einem oder einer Anwält*in beraten lassen. Zur Kostendeckung bekommst du beim Amtsgericht einen Beratungshilfeschein. 

Falls auch du mit Hilfe des oder der Anwält*in keinen Erfolg bei deinen Eltern hast, hilft nur noch eine Klage vor dem Familiengericht. Hierfür kann man beim Amtsgericht Prozesskostenbeihilfe beantragen. 

Zur Berechnung wird die Düsseldorfer Tabelle verwendet. 

Um den Unterhaltsanspruch zu ermitteln, wird das Nettoeinkommen deiner beiden Elternteile addiert und in der Tabelle abgelesen, wie viel Unterhalt dir deshalb zusteht. Die Berechnung, wie viel jeder Elternteil dir bezahlen muss, ist ziemlich kompliziert. Am besten du suchst dir dafür eine*n Anwält*in. Um die Kosten zu decken, kannst du dir beim Amtsgericht einen Beratungshilfeschein holen. Dann werden die Anwaltskosten vom Staat übernommen. 

Wohngeld ist ein staatlicher Zuschuss zur Miete. Du hast Anspruch auf Wohngeld, wenn du kein Arbeitslosengeld II (Hartz IV) bekommst, in einer eigenen Wohnung lebst und dein Einkommen unter eine gewisse Grenze fällt. Keinen Anspruch auf Wohngeld hast du, wenn du Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) oder Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) erhältst.

BAföG steht für Bundesausbildungsförderungsgesetz, welches die finanzielle Unterstützung für Menschen in der Ausbildung oder im Studium regelt. Umgangssprachlich ist mit BAföG die finanzielle Leistung gemeint, die gewährt wird.

Das BAföG ist eine Art zinsloses Darlehen des Staates, das zur Finanzierung eines Studiums oder einer schulischen Ausbildung gewährt wird, wenn sie aus eigenen Mitteln nicht finanziert werden kann. Dies wird überprüft mithilfe deiner Angaben zu deiner finanziellen Situation sowie der deiner Eltern. Das BAföG muss anteilig, in der Regel zu 50 Prozent, nach Abschluss der Ausbildung (in Raten) zurückgezahlt werden. Hier findest du ein Merkblatt zur Darlehensrückzahlung. Schüler-BAföG muss nicht zurückgezahlt werden!

Grundsätzlich kann jeder BAföG beantragen, der sich in einer schulischen oder akademischen Ausbildung befindet. Dabei muss die Ausbildung, für die das Geld beantragt wird, in der Regel vor dem 30. Geburtstag (bei Masterstudiengängen vor dem 35. Geburtstag) begonnen werden. Ausnahmen können beispielsweise sein, dass das Abitur erst auf dem zweiten Bildungsweg erworben wurde oder ein anderer, wichtiger Grund (zum Beispiel Krankheit oder Pflege eines oder einer Familienangehörigen) vorliegt, der einen späteren Ausbildungsbeginn rechtfertigt.

Wer zuerst eine Ausbildung abgeschlossen hat, bekommt automatisch elternunabhängiges BAföG, das auch nicht zurückbezahlt werden muss. 
Außerdem kann mit dem Formblatt 8 der Anspruch geltend gemacht werden, dass das BAföG-Amt die für den Antrag notwendigen Auskünfte der Eltern über deren Einkünfte selber einholt, weil es dem oder der Antragsteller*in nicht zugemutet werden kann, diese selber einzuholen. 

In diesem Fall kannst du einen Antrag auf Vorausleistung beim BAföG-Amt stellen mit dem Formblatt 8. Nach Bewilligung bekommst du eine BAföG-Förderung. Das BAföG-Amt prüft dann, ob du einen Unterhaltsanspruch gegenüber deinen Eltern hast und klagt diesen notfalls ein. Wenn du vom BAföG-Amt gesagt bekommst, dass das nicht geht: Stelle den Antrag schriftlich und bestehe auf einen rechtsgültigen Bescheid.

Leider hilft dir hier der „Antrag auf Vorausleistungen“ nicht. Wenn du in der Zeit nicht arbeiten gehen kannst oder keine Arbeit findest, melde dich beim Jobcenter arbeitslos. Dann kannst du Arbeitslosengeld II (Hartz IV) beantragen.

Du musst keinen Rundfunkbeitrag bezahlen, wenn du

  • noch über die Jugendhilfe betreut wirst (Schlüssel: 409),
  • BAföG bekommst (Schlüssel: 405A),
  • Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) bekommst (Schlüssel: 405B),
  • Arbeitslosenfeld II (Hartz IV) bekommst (Schlüssel: 403) oder
  • Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommst (Schlüssel: 404).

In dem Fall musst du einen Antrag auf Befreiung stellen. Diesen Antrag findest du hier. Darauf musst du den Schlüssel für deine Befreiung eintragen. Zusätzlich musst du eine Kopie der Leistungsgewährung des jeweiligen Amtes an den „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“ senden.

Wohngeld wird bei der Wohngeldbehörde der Stadt oder des Kreises beantragt.

Achtung: Wohngeld wird ab Antragstellung bezahlt. Wenn du also noch nicht zur Behörde kannst, dann stelle einen formlosen Antrag und reiche den anderen nach.

Kindergeld beziehen in der Regel die Eltern für ihr Kind. Wenn du eine Ausbildung machst oder studierst, haben deine Eltern bis du 25 Jahre alt bist Anspruch auf Kindergeld. Das Kindergeld muss dir weitergegeben werden, ansonsten kannst du einen Antrag auf Abzweigung stellen.

Kindergeld wird bei der zuständigen Familienkasse der Eltern beantragt – in der Regel von den Eltern. Bei Antragstellung musst du einen Nachweis beilegen, was du gerade machst (Ausbildung, Studium, FSJ). Wenn du studierst, musst du regelmäßig ohne Aufforderung eine aktuelle Immatrikulationsbescheinigung einreichen – ansonsten wird dir das Kindergeld nicht weiter bezahlt. Du kannst es dir aber rückwirkend erstatten lassen, wenn du es doch einmal vergisst. Kompliziert wird es, wenn du längere Zeit krank bist. Aber auch für kranke Kinder gibt es Kindergeld, über ein Extra-Formular und eine ärztliche Bestätigung.

Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) kannst du beantragen, wenn du eine Berufsausbildung machst oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme besuchst und (in der Zeit) nicht bei deinen Eltern lebst.

Den Antrag musst du bei der Bundesagentur für Arbeit stellen. Ruf einfach dort an und lass dir die Formulare zuschicken. Oder registriere dich online bei der Agentur für Arbeit. Dann kannst du den Antrag online stellen.

Weitere Tipps für ein selbstbestimmtes Leben

Die wichtigsten Fragen & Antworten

Notfallfonds

Dann kannst du beim Careleaver e.V. einen Antrag auf Unterstützung aus dem Notfallfonds stellen. Schreib einfach eine E-Mail an notfallfonds@careleaver.de und erkläre uns in ein paar Sätzen deine Situation.

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